Die Zahlen steigen: Immer mehr Kinder und Jugendliche essen in Deutschlands Kitas und Schulen zu Mittag. Gleichzeitig verlangt die globale Ausbeutung von Mensch und Umwelt eine Umstellung der Ernährungssysteme. Wie schaffen es Bildungsakteure, in ihren Einrichtungen nachhaltige Mahlzeiten anzubieten? Es gibt bereits Hilfestellungen.
Mit Hunger in die Schulkantine und vollem Teller an den Tisch: Heutzutage sind es fast doppelt so viele Jungen und Mädchen wie noch vor zehn Jahren, die mittags in der Schule essen, so Bundesernährungsministerin Julia Klöckner. In Ganztagsschulen haben mehr als drei Millionen Schülerinnen und Schüler Anspruch auf ein Mittagessen. Doch nicht nur in der Schule spielt Ernährung eine große Rolle: Durch den Ausbau der Ganztagsbetreuung verbringen immer mehr Kinder ihre Tage in einer Kita. Rund 2,3 Millionen Jungen und Mädchen haben dort in diesem Jahr laut Statistischem Bundesamt eine Mittagsverpflegung in Anspruch genommen. In vielen Kitas wird zudem gefrühstückt.
Die Verpflegung der Kinder und Jugendlichen bedeutet für die Verantwortlichen einen hohen organisatorischen und logistischen Aufwand. Hinzu kommen die Anforderungen an das Essen: Neben Geschmack und Gesundheit achten die Deutschen bei ihrer Ernährung auf Qualität und Nachhaltigkeitsaspekte, wie der Ernährungsreport 2019 bestätigt. Für Bildungsakteurinnen und Bildungsakteure kann es schwierig sein, den Anforderungen gerecht zu werden. Das komplexe Handlungsfeld der Schulverpflegung werde häufig „nebenbei“ gestaltet, berichtet das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Die zentrale Beratungs- und Koordinierungsstelle wurde 2016 mit dem Auftrag gegründet, die Qualität beim Essen und Trinken in Kitas und Schulen zu steigern.
Hilfestellungen durch Profis
Für Verantwortliche in Kommunen, Städten und Gemeinden, die Schulverpflegung professionell und nachhaltig organisieren wollen, veranstalteten das NQZ und die Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung im Herbst 2019 eine Fachtagung zum Thema „Schulessen besser machen: nachhaltig und professionell“. Während des Austauschs wurde deutlich: Weil die Rahmenbedingungen für eine kommunale Schulverpflegung deutschlandweit verschieden sind und es damit keine Patentlösung gibt, sollten sich Städte und Gemeinden zusammentun und austauschen. Ein Vorbild für andere Verantwortliche könnte die Stadt Hilden sein: Mit einer zentralen Ausschreibung wurde ein Bio-Caterer für die rund 1.800 Kinder in den städtischen Kitas und Schulen gefunden.
Unabhängig davon, ob an eine oder mehrere Bildungseinrichtungen Lebensmittel geliefert werden: Um Nachhaltigkeit in der Beschaffung zu berücksichtigen, müssen Kriterien festgelegt werden, die der Caterer beachten muss und der Auftraggeber überprüfen kann. Wie das funktioniert und welche rechtlichen Rahmenbedingungen es zu berücksichtigen gilt, erklärte Professor Dr. Christopher Zeiss von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes NRW in Bielefeld auf der Fachtagung. Denn Umweltkriterien und Sozialstandards dürfen bei der Beschaffung zwar berücksichtigt, allerdings muss das Diskriminierungsverbot geachtet werden. Ein Beispiel: Ein regionaler Caterer darf nicht allein wegen der Entfernung zur Schule oder Kita bevorzugt werden. Bildungsakteurinnen und Bildungsakteure können als Auftraggebende aber festlegen, wie lange ihre Speisen warm gehalten werden. Zudem dürfen sie bei der Auswahl eines Caterers beispielsweise die Tierhaltung oder Bezahlung der Mitarbeitenden berücksichtigen. Alle wichtigen Hinweise fasst Zeiss in seinem Vortrag zusammen. Weitere Hilfestellungen bei der nachhaltigen Beschaffung von Verpflegungsleistungen gibt das Modul „Lebensmittel und Catering“ der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung.
Hin zur energieeffizienten Schulküche
Nach der Beschaffung der Lebensmittel werden sie in Schul- und Kita-Küchen gelagert oder zu einer Mahlzeit weiterverarbeitet. In dem Projekt klima- und energieeffiziente Küche in Schulen (KEEKS) wurden 22 Schulküchen untersucht, um Optimierungsmaßnahmen für Essen mit geringerem Energieverbrauch abzuleiten: Beispielsweise grundsätzlich durch die Reduzierung des Fleischanteils oder die Vermeidung von Lebensmittelabfällen, aber auch durch effizientere Küchengeräte. Hier gibt es erhebliche Unterschiede. Ein Praxistest hat gezeigt: Während das schlechteste Gefriergerät 3.780 Kilowattstunden im Jahr verbrauchte, lag das beste mit 1.320 Kilowattstunden bei weniger als der Hälfte. Bei Kühlschränken und weiteren Küchengeräten ließen sich ähnliche Unterschiede im Energieverbrauch feststellen. Es wird deutlich: Effiziente Geräte sparen Energie und sind für eine nachhaltige Ernährung in Schulen und Kitas ein relevanter Faktor. Zahlreiche weitere Ergebnisse und Handlungsempfehlungen wurden im „KEEKS-Leitfaden für die klimaschonende Schulküche“ zusammengefasst.
Mangelnde Ernährungsbildung
Die Fachtagung des NQZ und KEEKS zeigen: Nachhaltigkeit lässt sich strukturell in der Schul- und Kitaverpflegung verankern. Zu nachhaltiger Ernährung gehört allerdings mehr als umweltfreundliche Beschaffung und energieeffiziente Verarbeitung. Die GemüseAckerdemie möchte beispielsweise das Bewusstsein für die Bedeutung von Natur und Lebensmitteln bei Kindern und Jugendlichen steigern: Unter anderem, indem die Jungen und Mädchen aus Kitas oder Schulen selbst Gemüse anbauen. Ähnlich erleben Kinder- und Jugendgruppen auf dem Schulbauernhof vom Institut für allgemeine und angewandte Ökologie e.V., was nachhaltiges Handeln bedeutet. Beim gemeinnützigen Bildungsprojekt Ackerhelden machen Schule können Kita- und Schulkinder ebenfalls erste Erfahrungen mit der Landwirtschaft machen: Mit Bio-Saatgut und Gießkanne ausgestattet geht es ans Gemüsehochbeet oder in den Gemüsegarten. Schulen erhalten in derartigen Projekten individuelle Unterstützung dabei, Kindern und Jugendlichen praxisnah ein Bewusstsein für Ernährung zu vermitteln.
Dass sich Initiativen und Vereine für Ernährungsbildung stark machen, scheint notwendig, denn Schülerinnen und Schüler lernen in der Schule nicht besonders viel darüber. Beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft heißt es angesichts einer Studie zur ernährungsbezogenen Bildungsarbeit in Kitas und Schulen, „dass von einer flächendeckenden Ernährungsbildung in Deutschland noch nicht die Rede sein kann.“ Der Leiter der Studie, Dr. Helmut Heseker, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Die Themen Essen und Ernährung haben die Länder in ihren Lehr- und Bildungsplänen verankert. Das ist ein wichtiger Schritt. Wir sehen jedoch, dass die Fachkräfte in Kitas und Schulen in ihrer Ausbildung zumeist unzureichend auf diese Aufgabe vorbereitet werden.“ Dabei machte schon der Ernährungsbericht von 2017 deutlich: Ein Großteil der rund 1.000 befragten Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren wünscht sich neben einer qualitativ hochwertigen Ernährung mehr Ernährungsbildung in Kita und Schule.
Vielschichtig anzugehen
Um Nachhaltigkeit in der Schul- und Kitaverpflegung zu etablieren, braucht es also eine angemessene Portion Eigeninitiative. Die vielschichtigen Herausforderungen sind jedoch gleichzeitig eine große Chance: In den unterschiedlichsten Bereichen der Verpflegung – von der Beschaffung über die Zubereitung bis hin zur Ernährungsbildung – gibt es zahlreiche Optionen, als Bildungsakteurin oder Bildungsakteur einen Beitrag zu nachhaltiger Ernährung zu leisten.
Dieser Artikel steht unter folgender CC Lizenz: CC-BY-NC und wurde von Karoline Estermann auf der Plattform Ernährungswandel veröffentlicht.
Den originalen Beitrag finden Sie unter: https://www.ernaehrungswandel.org/informieren/artikel/detail/nachhaltige-ernaehrung-in-kita-und-schule